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Die Offliner: Leben ohne Internet!
Nicht nur die ?Jugend von heute? ist eingebunden in ein vielseitiges Netz der verschiedenen Kommunikations- und Informationsm?glichkeiten. Zu einem Festnetz-Telefonanschluss kommt meist noch ein Handy, neben dem fast schon altmodischen Brief schicken wir munter Faxe und vor allem E-Mails um die Welt, tauschen uns in Internetforen aus und nutzen Chatprogramme. Wir durchst?bern das Internet auf der Suche nach dem aktuellen Kinoprogramm, Flirtpartnern, Wetterberichten oder Fahrtrouten.Daneben gibt es jedoch nicht wenige, die sich bewusst oder gezwungenerma?en nicht in den virtuellen Sph?ren des WWW bewegen. Diesen 40% der gesamten deutschen Bev?lkerung widmet sich die ARD-/ZDF-Offliner-Studie. Sie untersucht seit 1999 allj?hrlich jene ab 14 Jahren aufw?rts, die sozusagen aus der komplement?ren ARD-/ZDF-Online-Studie herausfallen.
Ganz unwissenschaftlich und total klischeehaft stellen wir uns die f?nf Typen von Internetverweigerern, die diese Studie ermittelt hat, mal als konkrete Personen vor:
- F?r Paul W., 68 Jahre alt
und Rentner, ist das Internet quasi ein b?hmisches Dorf. Er benutzt noch sein
altes W?hlscheiben-Telefon, weil ihn die Geschichten aus seinem Bekanntenkreis
abschreckten, bei denen das schnurlose Telefon nicht richtig aufgelegt war und
der Betreffende damit tagelang nicht erreichbar. Von Computern hat er nur einen
abstrakten Begriff nach einigen Diskussionen am Kaffeetisch um den Zusammenhang
zwischen jugendlichen Ballerspielfanatikern und Amokl?ufen an Schulen. Diese
Gruppe der ?Desinteressierten? macht etwa ein F?nftel der ?Abstinenzler?
aus.
- Rita P., 57j?hrige
Kassiererin, findet angesichts ihres geringen Einkommens einen Internetzugang
und das n?tige technische Zubeh?r zu teuer. Das Angebot der Websites, die sie
bisher fl?chtig kennt, ist ihr zu un?bersichtlich; die Einrichtung eines
internetf?higen Rechners und die Installation der Software scheint ihr zu
umst?ndlich. Diese Gruppe, die ?Ablehnenden?, umfasst 36 %.
- Gunda L., 54 Jahre alt, hat
sich durchaus schon einmal kundig gemacht in Sachen Internet. Als jahrelange
Zeitungsabonnentin und aufmerksame Fernsehzuschauerin, die ihre
Programmzeitschrift nutzt, sowie durch den Rundfunk informiert, sieht sie jedoch
keine Notwendigkeit, das Internet zu nutzen. Ohne Ber?hrungs?ngste und trotz
finanzieller M?glichkeiten verzichtet sie auf die Informations- und
Unterhaltungsangebote des Internet. Sie geh?rt zur 20% der Offliner ausmachenden
Gruppe der ?Distanzierten?.
- Ralf T., einer von den 11%
?Nutzungsplanern?, 45 Jahre alter kaufm?nnischer Angestellter, hat beruflich mit
Internetanwendungen zu tun und plant demn?chst die Anschaffung eines Rechners,
den auch seine Frau nutzen will.
- Horst F., 39 Jahre alt, z?hlt als selbst?ndiger Informatiker zu den ?erfahrenen Aussteigern? (13%). Ganz bewusst trennt er seinen Job von seinem Privatleben, kann sich auch Telearbeit von zuhause aus nicht vorstellen. Zudem legt er Wert auf eine ansprechende Wohnungseinrichtung, die er nicht mit USB-Kabeln und Druckerzubeh?r ?zum?llen? will. Zu dieser Gruppe geh?ren auch Personen, die beispielsweise beruflich das Internet nutzten, sich nach der Pensionierung aber keinen Zugang f?r zuhause zugelegt haben.
Viele Offliner f?hren an, das Internet berge Suchtgefahr und sei eine blo?e Ansammlung pornografischer Inhalte, von Reklame, Dialerprogrammen und ?berhaupt Zeitverschwendung. Dies jedoch ist h?ufig eine Art ?Totschlagargument? derer, die sich kaum eine Vorstellung vom Internet machen oder ?ber richtiges Suchen von n?tzlichen Inhalten oder technische Hilfsmittel wie Popupblocker und Firewalls nicht informiert sind.
F?r die ?Planer? spielt vor allem ein gewisser sozialer Druck eine Rolle, sie f?rchten die Selbstisolation, wenn ihre Bekannten ?ber das Internet kommunizieren und sie selbst sich zur?ckhalten. Offliner aus den anderen Gruppen jedoch sehen gerade einen Zugewinn an Lebensqualit?t im Verzicht aufs Netz.
Vor allem alte Menschen sind oft Offliner, 85 % der ?ber 60j?hrigen nutzen das Internet nicht. Die Medienforscherin Maria Gerhards s?he aber gerade dort die M?glichkeit, ihnen ein St?ck mehr Mobilit?t zu erm?glichen: per Online-Banking, WebShops f?r B?cher oder Medikamente und so weiter.
Aber auch bei den Jugendlichen zwischen 14 und 29 Jahren finden sich ?ber 20 % Offliner, die am ehesten die in ihren Augen zu hohen Kosten als Grund angeben.
Im Unterschied zu ?Lean-back-Medien? wie Dudelradio oder Fernsehen muss man als Internetnutzer Aktivit?t zeigen, zappen gibt es hier nicht. Man muss eine Seite konkret ansteuern oder auf dem Umweg einer Suchmaschine, ?ber Werbefl?chen hinweg das Angebot der Seite erfassen und entscheiden, welchen Links man folgen m?chte. Sowas nennen Forscher ?Medienkompetenz?.
Forschungsbedarf besteht noch bez?glich der Frage, welche Erfolge Programme wie Schulen/Frauen/Senioren ans Netz erzielen konnten. Gerhards w?nscht sich eine noch genauere Nachfrage bei den Netz-Abstinenzlern: welche Vorstellung haben sie vom Internet, auf welchen positiven oder negativen Erfahrungen fu?t ihre Meinung? Denn wie auch sonst immer ist auch hier das Bild nicht schwarz-wei?: zwischen denen, die fast st?ndig im Internet unterwegs sind und denen, die vielleicht einmal in der Woche ihre Emails abrufen, gibt?s zahlreiche Abstufungen. Und in einer zuk?nftigen Studie sollen die ?Erfahrenen? genauer unter die Lupe genommen werden, also die, welche sich trotz solider Netz-Kenntnisse, jugendlicher Neugierde und mittleren bis h?heren Bildungsabschl?ssen auf das Internet privat verzichten.
?hnlich wie Menschen, die sich bewusst gegen die Anschaffung eines Autos entscheiden oder keinen Fernseher zuhause stehen haben, deuten die sinkenden Zuwachsraten der Internetnutzer darauf hin, dass auch zuk?nftig eine ?berzeugte Gruppe von Offlinern bestehen bleibt, die verzichten und sich deshalb l?ngst nicht benachteiligt f?hlen. Vielleicht umst?ndlich aber wahr: auch wenn es Medien, Werbung und Wirtschaft suggerieren, noch geht?s auch ohne.
Grob eingeteilen kann man Offliner soziodemographisch in eben diese ?privilegierten?, bewussten Aussteiger, und auf der anderen Seite jene, denen Alter, Bildung, Einkommen auf dem Weg ins Internet un?berwindliche H?rden sind. Tendenziell ist ein ?Offliner? eher ?lteren Semesters, nicht berufst?tig, weiblich und verf?gt nur ?ber einen niedrigen formalen Bildungsabschluss.
Nach Einsch?tzung von Mirko Marr, der am Institut f?r Publizistikwissenschaft und Medienforschung in Z?rich forscht, wird gut ein Drittel der Bev?lkerung das Internet in Zukunft nicht oder nur sehr selten nutzen. Dies best?tigten Untersuchungen beispielsweise auch in den Niederlanden oder den USA. Trotz g?nstiger Zug?nge, einfacher Bedienung und immer attraktiveren Webinhalten wird sich die marktwirtschaftliche Vorstellung, das Internet erreiche in Zukunft alle Haushalte, nicht bewahrheiten.
Infos zu den Offliner-Studien auch der vergangenen Jahre finden sich auf:
http://www.br-online.de/br-intern/medienforschung/onlinenutzung/onlinestudie/ (ke) 31.05.05